Die Art und Weise, wie Israel das iranische Atomprogramm angreifen und zerstören könnte, hat sich in den letzten neun Monaten verändert, insbesondere in den letzten Wochen.
Vor dem 19. April 2024 war ein Angriff auf das iranische Atomprogramm in der Theorie möglich: in Form eines Luftangriffs unter Einsatz von Israels Tarnkappenflugzeugen, um Irans fortschrittliche S-300-Flugabwehrsysteme auszuschalten, gefolgt von Angriffswellen auf wichtige Standorte des Atomprogramms.
Ein weiteres Ziel wäre es gewesen, Irans unterirdische Anlage in Fordow durch das Abwerfen einer Reihe von 5.000-Pfund- oder kleineren Waffen auf denselben Standort auszuschalten.
In den letzten Monaten hat Premierminister Benjamin Netanjahu sich damit gerühmt, dass die israelische Luftwaffe am 19. April die iranischen S-300-Flugabwehrsysteme zerstörte und am 26. Oktober den Rest.
Das bedeutet, dass Israel jederzeit einen Luftangriff auf das iranische Atomprogramm starten könnte, das vor solchen Angriffen im Prinzip ungeschützt ist – im Moment.
Mit anderen Worten: Was vor einem Jahr noch als riskante Mission gegolten hätte, ist heute aus militärischer Sicht bereits teilweise umgesetzt worden, und der verbleibende Rest durchaus machbar.
Teheran hatte hauptsächlich drei indirekte Wege, Israel von einem Angriff auf sein Atomprogramm abzuschrecken. Sollte Jerusalem es wagen, einen solchen Angriff durchzuführen, wurde ihm ein Höllenfeuer von Raketen der Hamas und der Hisbollah versprochen - und massive, unverhältnismäßig gefährliche ballistische Raketen aus dem Iran selbst.
Die beiden Terrorgruppen sind, zumindest für den Moment, zerschlagen, unorganisiert und daher nicht in der Lage, ihren iranischen Geldgebern zu helfen.
Die Islamische Republik selbst hat in zwei getrennten Salven am 13. und 14. April sowie am 1. Oktober 300 ballistische Raketen auf Israel abgefeuert, ohne dabei Israelis oder der israelischen Luftwaffe Schaden zuzufügen, obwohl einige unbemannte Luftstützpunkte angegriffen wurden.
Mit Hilfe der USA und dem ersten realen Test für das Raketenabwehrsystem Arrow 2 und 3 ist es Israel gelungen, den Großteil der ballistischen Raketen der Ayatollahs abzuschießen.
Schon vor der US-Wahl – und auch in der vergangenen Woche – barg ein Angriff auf das iranische Atomprogramm nicht einmal mehr annähernd die gleichen Risiken, weder in Hinsicht auf die Operation selbst noch auf die zu erwartende albtraumhafte Reaktion Teherans.
Während des US-Wahlkampfes forderte der designierte Präsident Donald Trump Israel öffentlich zu einem Angriff auf die iranischen Atomanlagen auf. Seit er zum Sieger der Wahl erklärt wurde, hat er Berichten zufolge einen solchen Schlag weiterhin unterstützt, sollte Teheran nicht ernsthaft von seinen nuklearen Vorstößen abrücken. In mehreren Berichten wurde sogar angedeutet, dass er Israel endlich bunkerbrechende Waffen zur Durchführung des Angriffs zur Verfügung stellen werde.
Trotz wiederholter Gesuche Israels hatte Trump dies in seiner ersten Amtszeit nicht getan. Selbst wenn er es auch in der nächsten Amtszeit nicht tun wird, befreit seine nachdrückliche Unterstützung eines solchen Angriffs Israel dennoch von einem Großteil der diplomatischen Sorgen, die es in Bezug auf eine solche Operation unter der Biden-Regierung hatte.
Man kann davon ausgehen, dass Trumps neue Regierung Israel im Falle eines solchen Angriffs einen Schutzschirm gegen ballistische Raketen aus dem Iran zur Verfügung stellen wird – wohingegen die Reaktion auf ein solches Szenario unter der Biden-Regierung mit einem Fragezeichen versehen war.
Neue Möglichkeit zur Beseitigung der iranischen Atomanlagen
In der vergangenen Woche eröffnete sich eine weitere Option zur Beseitigung der iranischen Nuklearstandorte. Israelische Beamte haben sich wohlbedacht nicht zu der Möglichkeit geäußert, mit der iranischen Nuklearanlage in Fordow so zu verfahren, wie es die IDF mit der unterirdischen iranischen Raketenanlage Masyaf in Syrien getan hat.
Man muss keinen Zugang zu geheimen Informationen haben, um die klaren Parallelen zu erkennen. Wenn die IDF 120 Spezialeinheiten für drei Stunden nach Syrien senden konnte, um eine sensible iranische Anlage zu zerstören, und zwar in dem nach Damaskus am besten verteidigten Teil Syriens, sowohl aus der Luft als auch am Boden, warum sollte Israel dann nicht auch eine entsprechende Operation in Fordow durchführen können?
Plötzlich besteht die offene Möglichkeit, dass Israel die iranischen Atomanlagen entweder durch Luftangriffe oder durch Einsatz von Spezialkräften ausschalten könnte.
Tatsächlich sollte sogar die Anwendung des Konzepts der Masyaf-Operation nicht ausgeschlossen werden.
Israel hat sich öffentlich dazu bekannt, im Juli heimlich den ehemaligen Hamas-Führer Ismail Haniyeh im Herzen einer hochsicheren Einrichtung des Korps der Islamischen Revolutionsgarden in Teheran getötet zu haben und 2018 in einer ähnlich hochrangigen Einrichtung in Teheran iranische Atomgeheimnisse beschlagnahmt zu haben – ganz zu schweigen von mehreren iranischen Atomanlagen, die der Mossad Vorwürfen des Iran zufolge zwischen 2020 und 2021 heimlich gesprengt haben soll.
In gewisser Weise könnte man argumentieren, dass die unerwartete Entscheidung der IDF, alle Details von Masyaf zu veröffentlichen, darauf abzielte, ihren Gegnern möglichst unverblümt die vielfältigen Möglichkeiten zu demonstrieren, wie das Militär unter- oder oberirdisch an jeden strategischen Standort gelangen kann.
Zumal dies alles geschah, nachdem Reuters im November berichtet hatte, dass der Iran nach den israelischen Gegenschlägen vom 26. Oktober mit dem Bau eines „Verteidigungstunnels“ in Teheran begonnen hatte.
Das letzte zu berücksichtigende Element ist die Zeit.
Mehrere hochrangige israelische Beamte, darunter der ehemalige Premierminister Naftali Bennett und der ehemalige Verteidigungsminister Avigdor Liberman, forderten sowohl im Oktober als auch jetzt, in der Übergangsphase zwischen den Präsidentschaften von Biden und Trump, einen Angriff auf die iranischen Atomanlagen.
Da ein solcher Angriff nicht stattgefunden hat, scheint deutlich – und Quellen haben dies bestätigt – dass Israel es vorzieht, zunächst abzuwarten, wie Trumps bevorzugter Zeitrahmen und sein strategischer Umgang mit dem Iran aussehen werden.
Alle Ereignisse seit April, bis hin zu den Enthüllungen über die Masyaf-Operation vergangene Woche, sollten keinen Zweifel daran lassen: Wenn Israel das iranische Atomprogramm angreifen will, hat es dazu vielfältige Möglichkeiten.
Die einzige Frage ist wohl, wie viel Zeit der Iran hat, aus dem nuklearen Patt auszusteigen, um einen Angriff zu vermeiden – einen Monat, mehrere Monate oder ein Jahr?