Russland hat seine Marine darauf trainiert, in einem potenziellen Konflikt mit der NATO Orte tief in Europa mit atomwaffenfähigen Raketen anzugreifen, wie aus geheimen Akten hervorgeht, die die Financial Times beschaffen und einsehen konnte. Diese Akten stammen aus den Jahren 2008 bis 2014 und enthalten detaillierte Karten von Zielen in ganz Europa.
Diese Karten und Pläne gingen der russischen Invasion in der Ukraine im Jahr 2022 voraus, und dem Bericht zufolge wurden die Dokumente der Financial Times von westlichen Quellen vorgelegt.
In dem Bericht der Financial Times wird darauf hingewiesen, dass Russland bereits zuvor den Einsatz taktischer Atomwaffen für die frühe Phase eines Konflikts mit einer großen Weltmacht simulierte. Die Karten bilden eine Auswahl von 32 NATO-Zielen in Europa ab.
Aus den von der Financial Times eingesehenen Dokumenten geht hervor, wie Russland überwältigende Angriffe auf Westeuropa plante, bei denen Atomwaffen in Kombination mit anderen zerstörerischen Waffen und Mitteln eingesetzt werden sollten.
Aus den Akten wird ersichtlich, dass Russland die Fähigkeit besitzt, Atomwaffen auf Überwasser-Kampfschiffen zu transportieren, was das Risiko von Eskalationen oder auch Unfällen erhöht. Sie deuten auch darauf hin, dass Russland taktische Atomwaffen als potenziell entscheidend für den Ausgang eines Konflikts ansieht, berichtet die Financial Times.
Analysten der Financial Times wiesen darauf hin, dass die Karten in den Dokumenten nur einen Bruchteil der in ganz Europa erfassten Ziele darstellen, darunter militärische und andere Infrastruktur. Russlands Militärstrategie wird als auf den „totalen Krieg“ ausgerichtet beschrieben, wobei taktische Atomwaffen als entscheidend für die Erreichung von Kriegszielen angesehen werden.
Aus den durchgesickerten Dokumenten geht auch hervor, dass Russland trotz eines Abrüstungsabkommens von 1991 taktische Nuklearwaffen auf Überwasserschiffen transportieren kann. Dazu gehören U-Boot-Abwehrraketen und Flugabwehrraketen mit Nuklearsprengköpfen.
„Demonstrationsschlag“ könnte zur Abschreckung westlicher Länder dienen
Die von der Financial Times eingesehenen Akten und ihre Berichterstattung über die gewonnenen Erkenntnisse erwähnen auch einen „Demonstrationsschlag“ oder die Detonation einer Atomwaffe in einem abgelegenen Gebiet „zu einer Zeit unmittelbarer Bedrohung durch einen Angriff“ – also vor einem tatsächlichen Konflikt, um westliche Länder abzuschrecken. In der Akte stehe, dass ein solcher Schlag „die Absicht zum Einsatz von Atomwaffen“ zeigen würde.
Bei den jüngsten russischen Übungen wurde der Einsatz von taktischen Atomwaffen geprobt, was den Strategien entspricht, die in den durchgesickerten Dokumenten beschrieben sind. Zu diesen Vorbereitungen gehören die Bestückung von Antischiffsraketen mit Nuklearsprengköpfen sowie das Training für Handhabung und Einsatz der Nuklearsprengköpfe. Das deutet darauf hin, dass die Gefahr einer nuklearen Eskalation nach wie vor ein wichtiger Aspekt der russischen Militärplanung ist.